Von der Schlei bis nach Rügen - Sommer 2021


Wieder einmal ist ein Sommertörn zu planen, und diesmal zum ersten Mal allein. Zumindest die erste Woche. Die Kinder haben Prüfungen und kommen dann nach. Zwar bin ich schon allein gesegelt, aber die Kinder waren zumindest an Bord. Wenn es nötig war, habe ich Hilfe gehabt. Angelegt habe ich allein noch nie.
Die Pinne kann ich feststellen, aber lange hält das Boot den Kurs so nicht, erst recht nicht, wenn sich während eines Segelmanövers der Druckpunkt verschiebt. Deshalb habe ich mir einen Pinnenpilot gekauft. Das kleinste Model, das in den gängigen Katalogen zu finden war, kann 3 Tonnen lenken, mein Boot mit weit weniger als eine Tonne sollte also kein Problem sein. Auch die geringe Batteriekapazität meines Bootes sollte kein Problem sein. Ich werde den Pinnenpilot nur einsetzen, wenn es nötig ist, im Normalfall werde ich an der Pinne sitzen.
Da der Wind zumindest in den nächsten Tagen aus West wehen soll, entscheide ich mich für den Hafen der Wassersportgemeinschaft Arnis Grödersby als Ausgangspunkt für meinen Törn.

Sonntag, 25.07.2021
Gestern ist es spät geworden. Neben den anderen Arbeiten, die nach dem Kranen üblicherweise zu erledigen sind, war noch eine Naht am Großsegel auszubessern.
Gegen halb elf lege ich ab. Das erste Mal allein. Der Wind kommt heute mit 4 Bft. aus Ost. Ich nehme erst einmal Kurs auf eine breitere Stelle der Schlei, westlich von Arnis. Zur Kalibrierung des Pinnenpiloten sind laut Bedienungsanleitung ein paar Vollkreise zu fahren. Auch wenn es in der Anleitung nicht erwähnt wird, denke ich, dass diese möglichst gleichmäßig sein sollten, was mir auf Grund des recht starken Windes nicht ganz gelingt. Trotzdem meint der Pinnenpilot nach anderthalb Kreisen, dass die Kalibrierung nun abgeschlossen sei. Zum Test fahre ich anschließend einige Meilen nach Westen und kreuze dann zurück. Ich bin erstaunt, dass der Pinnenpilot dabei mit dem seitlichen Wind erstaunlich gut zurechtkommt.
Ich möchte es heute erst mal ruhig angehen. Deshalb beginne ich mich nach dem Passieren der Klappbrücke in Kappeln auf das Anlegen in Maasholm vorzubereiten. Fender raus, Motor an, Segel runter, Festmacher klar machen. Alle diese Arbeiten verteilten sich bisher auf 2, 3 oder 4 Leute, heute mache ich es zum ersten Mal allein. Aber mit der Automatiksteuerung ist das kein Problem, man muss nur rechtzeitig damit anfangen.
Auch das Anlegen in der Box klappt erstaunlich gut. Das Boot in der Mitte an einem der Heckpfähle festmachen, da ich keine mittlere Klampe habe, nutze ich dafür die Schotklemme der Genua. Nun habe ich alle Zeit der Welt, die Heckleinen über die Pfähle zu legen, die Lage des Bootes lässt sich mit Fahrt vorwärts und rückwärts im Standgas regeln. Auf dem Steg steht schon jemand, der die Bugleinen übernimmt. Man muss nur darauf achten, dass die Heckleinen auch wirklich frei laufen. Peinlich, wenn wie bei mir beim ersten Versuch, dies nicht der Fall ist und das Boot ein Meter vor dem Steg hängen bleibt und erst mal seitlich abtreibt.
Am späten Nachmittag laufe ich bis zum Vogelbeobachtungshäuschen am Strand. Und obwohl es sehr nach Regen aussieht, komme ich noch trocken zurück zum Boot. Die Schlange am Backfischstand ist während der Wanderung nicht kürzer, sondern länger geworden, so dass es heute selbst gekochtes Essen gibt.

Montag, 26.07.2021
Heute und die nächsten 1 bis 2 Tage soll das Wetter noch ganz brauchbar sein, Wind 3 bis 4 aus West. Danach sagt Windfinder wesentlich stärkeren Wind voraus, 5 bis 6, ebenfalls aus West. Grund genug, sich über den weiteren Törnverlauf Gedanken zu machen. Nach Dänemark möchte ich wegen Corona nicht. Ich bin zwar zweifach geimpft, aber meine Kinder nicht. Da Dänemark als Risikogebiet gilt, brauchen sie bei der Wiedereinreise nach Deutschland einen PCR-Test. Wer weiß, ob es dann im ersten deutschen Hafen eine Testmöglichkeit gibt.
Bleibt also erst mal nur die deutsche Ostseeküste. Oder über NOK und Elbe nach Hamburg und Lauenburg, dann den Kanal nach Lübeck. Zwar Kanalfahrt, aber bevor man 3 Tage lang im Hafen liegt? Mal sehen. Vorerst fahre ich also in Richtung Süd.
Nach dem Frühstück geht es los, unter Motor in Richtung Schleimündung. Der Pinnenpilot steuert, während ich die Fender reinhole und die Festmacher aufschieße.


Auf der Ostsee werden die Segel gesetzt. Mit 2 bis 3 Knoten geht es in Richtung Süden. Schönes entspanntes Segeln. Leider sieht es nach einiger Zeit im Süden nach Gewitter aus, auch DP07 warnt vor Gewitterböen mit 8 Bft. Also Damp, auch wenn es erst halb zwei ist. Der Hafen ist voll, suchend fahre ich die Boxengassen auf und ab. Und entdecke schließlich doch noch ganz am nördlichen Ende der vorletzten Gasse eine freie Box. Anlegemanöver wie gestern, einschließlich der sich verhakenden Leinen, aber auch heute steht wieder jemand bereit, der die Bugleinen übernimmt.
Die Entscheidung in den Hafen zu fahren war richtig. Das Kaffeewasser ist noch nicht heiß als das Gewitter losbricht und mich erst mal in die Kajüte treibt. Nach einiger Zeit scheint auch wieder die Sonne. Der Strand ist zwar noch feucht, aber ich kann baden gehen, das Wasser ist ausreichend warm.

Dienstag, 27.07.2021
Am Morgen entdecke ich, dass es auf der Nordseite des Hafens auch einen Sanitärtrakt gibt, sogar mit kostenlosen Duschen. Ziemlich versteckt, in einer Art Keller. Man muss also nicht jedes Mal um das ganze Hafenbecken herum laufen. Und irgendwann kommt mir auch die Erinnerung, dass ich das schon mal gewusst habe, vor 5 Jahren oder so.
Das heutige Ziel ist Eckernförde. Der Wind kommt mit 3 Bft. aus Südwest. Das ist die Richtung, in die ich möchte, das heißt also Kreuzen. Das tue ich eine ganze Weile. Allmählich wird der Wind stärker, ich binde das 1. und später auch das 2. Reff ein. Schließlich rolle ich auch die Fock ein und spätestens ab jetzt wird das Kreuzen uneffektiv, zumal mittlerweile auch eine ganz anständige Welle steht. So nehme ich nach nicht ganz der halben Strecke doch den Motor.
Es geht an der Nordküste der Förde entlang und später am Marinehafen vorbei, vor dem ein U-Boot liegt.


Halb drei lege ich beim Segelclub Eckernförde an. Die Hafengebühr kann man an einem Automaten bezahlen. Das auch für heute angesagte Gewitter will sich nicht einstellen, deshalb gehe ich in die Stadt Lebensmittel einkaufen und später am schmalen Strand ganz in der Nähe noch mal baden.

Mittwoch, 28.07.2021
Nachdem ich am Kopf des Steges an dem ich lag nochmal kurz angelegt habe - ich hatte vergessen die Chipkarte zurückzugeben - geht es heute wieder nach Osten. Der Wind kommt mit 3 bis 4 Bft. aus Süd. Das 2. Reff im Groß habe ich noch von gestern drin, da immer mal Böen mit 5 Bft. durchziehen und ich mir keinen Stress mache will lasse ich es auch drin. Zeitweise nehme ich noch die Fock dazu. Es geht gut voran und halb eins habe ich das in der Förde gelegene Warngebiet hinter mir. Später, als die Küste immer weiter nach Süden abbiegt nehme ich für die letzten Meilen bis Strande den Motor, an der Wassertankstelle fülle ich zwei meiner Kanister. In Schilksee nehme ich die südliche Einfahrt, in der hintersten Ecke an Steg 6 sind hier meist noch ein paar Plätze für kleine Boote frei.

Donnerstag, 29.07.2021
Die nächsten Tage soll der Wind mit 6 bis 7 Bft. aus südwestlichen Richtungen kommen. Fürs offene Meer ist mir das zu viel. Und in der Landabdeckung dicht an der Küste lang geht auch nicht, da die Warngebiete Todendorf und Putlos aktiv sind. Da ich mich noch nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, die nächsten Tage im Hafen zu verbringen, werde ich die oben erwähne Kanalversion ausprobieren. Wie sich der Nord-Ostsee-Kanal bei Wind von 6 Bft. gegenan fährt weiß ich allerdings auch nicht. Und die Elbe bis Hamburg ist bei dem Wind sicher auch nicht ohne.
Kurz nach neun geht es los. Selbst hier auf der Kieler Förde erzeugt der Wind beachtliche Wellen, gegen die ich ankämpfen muss. Hinter der Friedrichsorter Enge sehe ich am Signalmast der Schleuse rot/weis, später grün. Es dauert eine ganze Weile, bis der große Pott, der mich kurz vor der Friedrichsorter Enge überholt hat, eingefahren ist, aber ich bin immer noch mindestens eine halbe Seemeile entfernt, als das Licht auf Weis schaltet. Vollgas. Die Sportboote, die gewartet haben, fahren der Reihe nach ein, aber ich bin immer noch zwei oder drei Kabellängen entfernt, als das letzte verschwunden ist. Aber das Schleusenpersonal wartet auf mich. Es klingelt schon, als ich durchs Schleusentor fahre.


Die ersten Meilen - nein, ab hier sind es Kilometer - geht es ganz gut. Wellen sind kaum vorhanden, der Wind hat scheinbar etwas nachgelassen. Aber dann nimmt er wieder zu und zu allem Überfluss beginnt es auch noch zu regnen. Regen und Gegenwind, das soll Urlaub sein? Die Idee mit dem Kanal war wohl doch keine so gute Idee. Bei Kilometer 85 drehe ich um. Nach ich mit maximal 3 Knoten gegen den Wind gefahren bin, geht es nun mit 5 Knoten mit dem Wind relativ schnell zurück. Und ich erwische gerade so wieder eine Schleusung. Die Strecke nach Schilksee kann ich bei stark wechselnden Bedingungen zwischen Flaute und Sturmböen mit eingelagertem Regen zurück segeln. Eine Stunde später liege ich wieder in derselben Box, aus der ich heute früh los gefahren bin.

Freitag, 30.07.2021
Heute und morgen soll das Wetter erst mal so bleiben: Wind 6 bis 7 aus Südwest. Ich gebe bei Google „Kiel“ und „Museum“ ein, und habe sofort 7 oder 8 Museen zur Auswahl. Na gut, also heute das Schifffahrtsmuseum und morgen das Computermuseum. Irgendwie muss man ja die Zeit im Hafen rumkriegen.
Von Schilksee aus fahren Expressbusse, was die Fahrzeit, die die Busse normalerweise bis Stadtmitte brauchen, von einer Stunde auf eine halbe Stunde verkürzt, erfahre ich in der Touristeninformation. Die Dame hier vorsorgt mich mit allerhand Fahrplänen und Flyern, so dass ich nicht auf das Smartphone angewiesen bin, das im Sonnenlicht ohnehin jämmerlich versagt.
Das Schifffahrtsmuseum bietet neben vielen Schiffsmodellen auch Informationen über das erste U-Boot, den sogenannten „Brandtaucher“. Gleich beim ersten Tauchversuch entstand ein Leck. Er lief voll und sank bis auf den zum Glück nicht allzu tiefen Grund. Man wartete einfach bis er vollgelaufen und der Innendruck gleich dem Außendruck war und tauchte dann durch die geöffnete Luke auf. Da alle Insassen gerettet wurden galt diese Tauchfahrt als Erfolg.

Sonnabend, 31.07.2021
Das Computermuseum ist natürlich für mich als Softwareentwickler besonders interessant. Die untere Etage bietet Einblicke in die Rechentechnik aus grauer Vorzeit, dem 19. Jahrhundert. Mechanische Rechenmaschinen, die man zum Teil auch selbst ausprobieren kann. Ab der zweiten Etage kann ich dann schon mitreden: Mit Lochstreifen habe ich noch gearbeitet, über Magnetbänder, Wechselplatten von der Größe einer Schallplatte, 8-Zoll-Disketten und die ersten PCs ist alles vorhanden. Schon seltsam, wenn man Dinge, die man selbst noch benutzt hat, im Museum wiederfindet. Aber das kenne ich schon aus dem DDR-Museum in Prora. Da gab es im Museum sogar Dinge, die ich heute noch im Alltag benutze.

Sonntag, 01.08.2021
Heute soll es endlich weiter gehen. Wind 4 aus Südwest. Im Endeffekt wird es dann ein ständig hin und her drehender Wind von Südwest bis Nordwest. Der Pinnenpilot schlägt sich auch hier tapfer, was auch gut ist, denn ich habe genug mit den Segeln zu tun: Shiften des Großsegels, Ausbaumen der Fock auf der jeweils anderen Seite für Schmetterling oder auch mal beide Segel auf die gleiche Seite, je nachdem, wie der Wind gerade kommt. Schnell geht es über die Förde und dann in Küstennähe weiter, gut dass heute am Wochenende die Warngebiete Todendorf und Putlos nicht aktiv sind.
Allmählich wird der Wind stärker und die Wellen höher. Ich rolle die Fock ein. In der Abdeckung des Groß geht das ganz gut. Parallel zu mir laufen zwei Boote, die ihre Segel inzwischen vollständig geborgen haben, unter Motor. Mir ist das Segel lieber, da ich sonst auf See nachtanken müsste. Zwar hält der Pinnenpilot das Boot auch unter diesen Bedingungen noch zuverlässig auf Kurs, aber das Hantieren mit Kanister und Einfüllstutzen möchte ich bei den mittlerweile über einen Meter hohen Wellen vermeiden.
Kurz vor Heiligenhafen lässt der Wind auch wieder etwas nach und hinter Graswarder sind auch die Wellen nicht mehr so hoch. Eine Weile fahre ich erfolglos die Boxengassen auf und ab, nur um dann an einem Steg gleich 3 freie Boxen zu finden. Halb sieben ist es, im Schnitt war ich heute mit 4 Knoten unterwegs.

Montag, 02.08.2021
Heute Abend kommen die Kinder hier an, ich kann also ausschlafen. Nach dem Lebensmitteleinkauf besuche ich den Aussichtsturm auf Graswarder.


Dann laufe ich noch in westlicher Richtung bis zur Steilküste. Die Beschilderung, im Ort überreichlich, lässt außerhalb des Ortes zu wünschen übrig. Aber irgendwie finde ich den Rundweg dann doch.


Die Kinder hatten auch eine gegen Ende etwas abenteuerliche Fahrt: Nachdem sie irrtümlicher Weise schon in Neustadt ausgestiegen waren und nicht erst in Großenbrode, fanden sie noch ein Sammeltaxi, das im Auftrag der Bundesbahn fuhr und sie zu einem halbwegs erträglichen Preis nach Heiligenhafen brachte.

Dienstag, 03.08.2021
Von nun an sind wir also wieder zu dritt. Allerdings war es bisher einhand weit weniger problematisch, als ich es mir vorgestellt hatte. Besonders beim Anlegen stand fast immer jemand bereit, der die Bugleinen belegte und auch der Pinnenpilot erledigte seine Aufgabe zufriedenstellend.
Der Wind kommt heute mit lediglich 2 Bft. aus West. Nachdem er uns durch die Fehmarnsundbrücke und noch ein Stück weitergeschoben hat, lässt er erst nach und schläft dann ganz ein, so dass wir den Motor nehmen. Auch der später aufkommende leichte Gegenwind aus Süd ist nicht besonders hilfreich, erst auf der letzten Meile vor Grömitz versuchen wir es noch mal mit Segeln. Kurz nach halb sieben legen wir an.

Mittwoch, 04.08.2021
Brötchen gibt es direkt am Hafen. An der Tankstelle steht eine Telefonnummer, wo man anrufen kann, wenn wie heute während der Öffungszeiten niemand da ist. Und als hätten sie nur darauf gewartet, dass dies endlich mal jemand tut, kommen nachdem ich getankt habe aus allen Ecken des Hafens Leute mit Kanistern, um auch zu tanken.
Da der Wind gestern nicht so stark war, habe ich heute die Genua angeschlagen. Damit läuft die FAM im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten noch am besten Höhe und so wird es trotz Wind aus Nordnordost noch ein Anlieger zum Beginn der Fahrwasser in die Wismarer Bucht. Obwohl nur 3 Bft. Wind sind, läuft das Boot mit fast 4 Knoten. So ist es erst halb vier, als wir in den schon recht vollen Timmendorfer Hafen einlaufen. Ein aufmerksamer Bootsbesitzer entfernt als er unseres kleinen Bootes ansichtig wird seine Heckleinen, so dass wir uns noch in eine Lücke quetschen können.

Donnerstag, 05.08.2021
Eigentlich wollten wir heute hierbleiben, da Wind mit Stärke 4 aus Nordost vorhergesagt ist, also genau aus der Richtung, in die wir wollen. Nachdem er aber doch wesentlich schwächer und aus Südost zu kommen scheint, entschließen wir uns zur Abfahrt, vielleicht kommen wir wenigstens bis Kühlungsborn. Das erste Stück können wir sogar segeln. Aber dann richtet sich der Wind doch noch nach der Vorhersage. Mit Motor gegen die fast ein Meter Welle macht keinen Spaß, wir drehen um. In Timmendorf können wir uns wieder in eine Lücke quetschen, während einige andere Yachten erfolglos wieder von dannen ziehen, da sich einer längsseits an den Steg gelegt hat und so mindestens 3 Liegeplätze blockiert.
Wir machen noch eine Wanderung unten an der Steilküste entlang und rätseln über den Sinn der vielen Stromkabel, die aus der Steilwand ragen. Zurück geht es den Wanderweg oben, teilweise beängstigend dicht an der Abbruchkante entlang.


Anschließend gehen wir baden, das Wasser hier ist relativ warm.

Freitag, 06.08.2021
Für heute und morgen ist noch ruhigeres Wetter angesagt, ab Sonntag soll es wieder mit Windstärke 6 wehen. Bis dahin möchte ich die geschützteren Gewässer um Rügen erreicht haben, so der Plan.
Der Wind kommt wie Anfangs gestern aus Südost mit 3 Bft. und bleibt heute auch so, jedenfalls vorerst. So geht es schön mit halbem Wind an der Küste entlang.
Als die Küste kurz vor Kühlungsborn nach Osten abbiegt, nehmen wir wieder den Motor. Der Wind hat inzwischen auch gedreht und kommt nun genau aus Ost, er ist auch etwas stärker geworden und ich habe den Eindruck, als ob das noch nicht alles wäre. Kurz überlege ich, in Kühlungsborn zu bleiben, aber dann wäre Rügen vor der nächsten Starkwindphase nicht mehr zu erreichen. Also weiter.
Mein Eindruck hat mich nicht getrogen. Der Wind wird stärker und die Wellen höher. Zu allem Überfluss zieht von Südwest langsam eine dunkle Wolkenwand heran. Warnemünde ist nicht mehr weit, aber die Leuchttürme auf den Molenköpfen kommen entsetzlich langsam näher. Immer wieder stampft sich das Boot in den Wellen fest. Auch andere Yachten haben zu kämpfen. Nach einer Stunde Vollgas fahren wir endlich in den Hafen Hohe Düne ein.
Für Goldschrift und Teppich im Hafenmeisterbüro fand ich Hohe Düne beim letzten Besuch immer noch recht preiswert, aber heute, mit 20 Euro Hanse Sail Zuschlag ergibt das 40 Euro, meine bisher teuerste Liegegebühr.
Während wir auf die Pizza warten, heute zum Mitnehmen, weil alle Tische besetzt sind, schauen wir den Schiffen auf der Warnow zu. Als erstes verlässt ein gigantisches Kreuzfahrtschiff den Hafen. Danach folgen die Traditionsschiffe der Hanse Sail mit Passagieren an Bord. Eine romantische Mondscheinpartie dürfte das nicht werden. Der Wind hat zwar nachgelassen, aber die schwarze Wand aus Südwest steht jetzt genau über dem Hafen. Wir sind froh, in unserer zwar engen, aber trockenen Kajüte zu sitzen, als eine Viertelstunde später der Regen beginnt.

Sonnabend, 07.08.2021
Relativ zeitig geht es heute los. Als erstes zur Tankstelle. Für die lange Strecke über Darßer Ort bis Barhöft möchte ich alle Kanister voll haben. Da volle Kanister nicht über das Hafengelände getragen werden dürfen - warum auch immer - muss man direkt am Tankstellensteg anlegen und nicht 10 Meter daneben, wie ich es erst tue, weil am Tankstellensteg noch ein Dickschiff liegt.
Das Wetter ist heute undefinierbar, absolute Windstille. Sicht nur wenige 100 Meter, aber wenn man direkt nach oben schaut ist ein Stück blauer Himmel mit Wolken zu sehen. Also ist es nur eine dünne Nebelschicht über dem Wasser.
Unter Motor geht es los, 4 Knoten. Der Nebel löst sich langsam auf, es bleibt diesig, aber die Sicht reicht, um sich an der Küste zu orientieren. Alle anderthalb Stunden tanke ich aus den Kanistern nach. Einmal vergesse ich es auch, der Motor geht einfach aus. Kein Problem. Die See ist wie Blei. Das bleibt auch so, als in einigen Kilometer Entfernung im Südosten über Land ein Gewitter vorüberzieht. Erst gegen 15 Uhr, auf der Höhe von Darßer Ort, kommt etwas Wind auf, aus Ost. Es liegt immer noch eine gewittrige Stimmung in der Luft. Ich überlege, in den Nothafen einzulaufen, lasse es dann aber. Schließlich ist es noch ziemlich ruhig. Vielleicht bleibt es ja so, ein Notfall wäre kaum zu begründen.
Allerdings wird der Wind langsam stärker, ich gebe etwas mehr Gas, um die Geschwindigkeit von 4 Knoten zu halten. Hoffentlich wird es nicht so ein Hack wie gestern. Nur langsam wird Hiddensee sichtbar, erst der Dornbusch, dann auch einzelne Baumgruppen im Süden. Darßer Ort hinter uns versinkt im undefinierbaren Grau.
Der Wind frischt weiter auf und dreht auf Nordost. Die Wellen bleiben aber langgezogen und flach, so dass es noch ganz gut voran geht. Dafür bildet sich im Süden ein neues Regengebiet, aus dem auch bald die ersten Blitze zu sehen sind. Es zieht nordöstlich und liegt irgendwann einige Meilen voraus.
Ein Rettungskreuzer der DGzRS kommt uns entgegen. Einige wenige andere Boote sind in einiger Entfernung in einer ähnlichen Richtung wie wir unterwegs. Das Gewitter zieht nordostwärts, wir bekommen nur einen Regenschauer ab.
Halb acht erreichen wir das Gellenfahrwasser. Ab hier können wir die letzten Meilen segeln. Inzwischen ist hier richtig Verkehr. Da die meisten anderen jetzt die Navigationslichter eingeschaltet haben, schalten wir sie auch ein. Es ist lange her, dass wir sie das letzte Mal benötigt haben.
Einige Boote überholen uns. Sorgen, keinen Liegeplatz zu bekommen, mache ich mir seit der Erweiterung des Hafens nicht mehr. Zwar ist es nicht mehr so wie letztes Jahr, dass praktisch der westliche Teil des Hafens fast leer ist, im Gegenteil, die zwei äußeren Stege sind gut belegt. Was aber auch an dem Seegras liegt, dass der Wind in die hinterste Ecke des Hafens getrieben hat, was nun die Benutzung des innersten Steges fast unmöglich macht. Während wir festmachen, sind im Westen schon die Blitze des nächsten Gewitters zu sehen.

Sonntag, 08.08.2021
Da es nach Hiddensee nicht allzu weit ist und es gestern spät geworden war, schlafen wir heute mal etwas länger.
Ganz vermeiden lässt sich die Begegnung mit dem Seegras beim Ablegen doch nicht. Eine ganze Menge landet als Klumpen in der Schraube, aber ich verschiebe die Beseitigung auf außerhalb des Hafens. Aber auch da ist dafür erst einmal keine Gelegenheit. Der Wind kommt nicht wie angesagt aus Südwest, sondern mit 5 Bft. aus Südost. Ich brauche die volle Motorleistung, sonst werden wir aus der Fahrrinne geblasen.
Die anschließende Fahrt in Richtung Stralsund ist durch die kurze steile Boddenwelle mühsam, auch hier ist Vollgas nötig, sonst drückt es den Bug aus dem Wind. Zum Glück sind es nur wenige Meilen, bis wir nach Hiddensee abbiegen können. Ab hier ist es richtig schönes Segeln, nur mit Groß im 2. Reff 5 Knoten. Selbst ein kräftiger Regenschauer mit kurzzeitiger Einschränkung der Sichtweite auf unter 100 Meter trübt die Freude nur wenig.
Viel zu schnell ist Vitte erreicht. Insbesonders am innersten Steg für kleinere Boote sind noch ausreichend Plätze frei. Der EDEKA hat am Sonntag geschlossen, so dass wir den Lebensmitteleinkauf auf morgen verschieben müssen. Aber da wir nicht in Darßer Ort übernachtet haben, reicht es gerade noch, sogar eine Büchse Bier ist noch da.

Montag, 09.08.2021
Hiddensee ist immer wieder schön und so bleiben wir heute erst mal im Hafen. Über Kloster und Grieben wandern wir zum Leuchtturm. Die Sicht ist heute klar, so dass man nicht einmal den Turm besteigen muss, um die Kreidefelsen von Møn zu sehen. Vor zwei Jahren hatten wir eine recht windige Überfahrt von dort hierher. Zurück geht es dann unten am Strand.


Ein reiner Hafentag wird es doch nicht. Für morgen ist starker Wind aus Süd angesagt, so dass möglicherweise unsere Benzinvorräte nicht ausreichend sind, um bis Stralsund zu kommen. So pumpe ich am Nachmittag unser Schlauchboot auf, montiere den Außenborder dran und fahre mit 3 leeren Kanistern beladen nach Schaprode. Das kleine Schlauchboot ist mit den 4 PS des Außenborders eigentlich ausreichend motorisiert, aber es kommt durch den Schubpropeller trotzdem nicht ins Gleiten. Mit meinem alten 2,5 PS Außenborder war das möglich, wenn auch mit dem Lattenboden des Schlauchbootes eine wackelig-schwabbelige Angelegenheit. Mit 3 vollen Kanistern geht es dann zurück, was gegen Wind und Welle eine ziemlich spritzig-frische Fahrt wird.

Dienstag, 10.08.2021
Heute geht es nach Stralsund. Durch den starken Südwind eine etwas mühsame aber ansonsten ereignisarme Fahrt unter Motor. Auf die Spannung, ob das Benzin reichen wird, habe ich ja bewusst verzichtet. In der Citymarina finden wir relativ problemlos eine freie Box.
Der Rest des Tages vergeht mit der Suche nach einer Reisemöglichkeit nach Arnis, um das Auto und den Trailer zu holen. Die Lokführer streiken, deshalb fallen viele Züge aus. Von Lauterbach, dem geplanten Endpunkt unseres Törns, bis nach Rostock geht es noch. Nach Kiel fährt nichts, aber nach Hamburg fährt von Rostock aus ein Flixbus. Und mein Sohn gräbt schließlich noch aus den Tiefen des Internets eine Mitfahrgelegenheit von Hamburg nach Damp aus. Und nach mehrstündigen fehlgeschlagenen Versuchen meinerseits gelingt ihm auch die Buchung bei BlaBlaCar und die Kontaktaufnahme zum Anbieter der Mitfahrgelegenheit.
Abends geht es dann zum Abschluss noch mal in die Pizzeria direkt am Hafen.

Mittwoch, 11.08.2021
Letzter „Seetag“. Zwar hat man am Nachmittag seit letztem Jahr eine weitere Öffnung der Ziegelgrabenbrücke eingeschoben, aber am Vormittag blieb alles beim Alten: eine Öffnung 8:20 Uhr, die nächste erst 12:20 Uhr. Also stehe ich morgens halb sieben vorm Bäcker, anschließend Frühstück und Abfahrt.
Mit uns passiert ein ganzer Schwung Boote die Brücke. Der Wind kommt mit 3 Bft. aus West, ideal. Erstaunlicherweise sind wir nicht einmal die langsamsten wie sonst, was aber auch zum Teil daran liegt, dass einige scheinbar aus Bequemlichkeit nur die Fock oder Genua ausgerollt haben, während wir unter vollem Groß und ausgebaumter Fock fahren. Jedenfalls geht es gut voran.
Im Greifswalder Bodden halten wir uns backbords und möglichst hoch am Wind, der inzwischen etwas aufgefrischt und nach Westnordwest gedreht hat. Eine Zeit lang geht es noch mit dem 1. Reff, dann müssen wir aufs 2. Reff verkleinern. Trotz der jetzt etwas schlechteren Am-Wind-Eigenschaften des Bootes wird es noch ein Anlieger zur grünen Tonne westlich von Vilm, welche man zumindest als Ortsunkundiger wegen der dortigen Untiefen auch wirklich westlich umfahren sollte.
Kurz vor zwei, eigentlich fast zu früh, legen wir in Lauterbach an.

Donnerstag, 12.08.2021
Um sechs stehe ich auf, um sieben fährt der Zug. Obwohl es bis zum Bahnsteig Luftlinie 10 Meter sind, muss man aus irgendwelchen seltsamen bahntechnischen Gründen einen Umweg von einem halben Kilometer laufen, um dorthin zu kommen. Pünktlich 9 Uhr ist der Zug in Rostock, der Flixbus kommt wegen Stau mit einer Stunde Verspätung in Hamburg an. Kein Problem, die Mitfahrgelegenheit fährt eh erst in zwei Stunden. Abends um sieben bin ich schließlich in Arnis, der Fahrer war so nett, mich hier her zu fahren, obwohl er eigentlich nach Damp wollte. Ohne den Lokführerstreik hätte ich zwei Stunden länger schlafen können und wäre 15 Uhr hier gewesen. Nachts gegen 1 Uhr bin ich mit Auto und Trailer schließlich zurück in Lauterbach.

Freitag, 13.08.2021
Wir räumen das Boot aus und bauen soweit möglich das Rigg ab. Als ich die Rampe aufschließen lassen will kommt die Enttäuschung: Die Rampe ist morsch und darf mit Autos und Trailern nicht mehr befahren werden. Nur noch von Hand gezogene Slipwagen sind erlaubt. Das hätte man uns auch vorgestern sagen können, als ich schon mal nachgefragt hatte, ob heute Vormittag jemand da wäre, der die Rampe aufschließen kann. Einzige Alternative ist der Kran. Die niedrigste Preisstufe mit bis zu 3 Tonnen kostet immer noch mehr als 100 Euro. Da nutzt es nichts, dass unser Boot nicht mal eine halbe Tonne wiegt. Die Information, dass ich nun einen „Krantermin“ vereinbaren müsste, weckt schon schlimmste Befürchtungen, aber letztlich dauert es nur eine halbe Stunde und eine weitere halbe Stunde später ist das Boot auf dem Trailer. 12 Uhr fahren wir los und gegen 20 Uhr sind wir zu Hause in Jena.
Ein paar Tage später stelle ich zufällig fest, die Slipanlage, pro Vorgang/pro 60 min/bis 1 Tonne, ist für 25 Euro auf der Webseite des Hafens Lauterbach immer noch im Angebot.

Das erste Mal einhand war für mich eine interessante Erfahrung. Der Pinnenpilot tat einwandfrei seinen Dienst. Beim Anlegen fand sich fast immer jemand auf dem Steg, der die Vorleinen entgegennahm und sie erst einmal provisorisch belegte. Ablegen ist auch kein Problem, das habe ich auch früher schon gemacht, wenn es zeitig los ging und die Kinder noch schliefen.

Boot

Typ: FAM
Länge über Alles: 5,40 m
Breite über Alles: 2,05 m
Tiefgang ohne/mit Schwert: 0,3/1,1 m

Segelfläche:

Großsegel: 10,7 Quadratmeter
Fock: 4,5 Quadratmeter
Genua: 8,3 Quadratmeter

Verdrängung: etwa 750 kg

Motor: Außenbord, 4 PS, Zweitakt, 2,8 Liter Einbautank

Elektrik:

Batterie: 12 V, 12 Ah
Ladung über Solarpanel: 20 W, Fläche 40 cm * 40 cm und Lichtspule: 60 W
BSH-Beleuchtung (Zweifarblaterne, Hecklicht, Toplicht)
Pinnenpilot Raymarine ST1000 Plus
4 W Leuchtstoffröhre zur Kajütbeleuchtung
für diverse Ladegeräte (Handy, Kamera, Laptop, Funk) ein selbst gebauter Rechteck-Wechselrichter

Törndaten

Gesamtstrecke: 304 Seemeilen
gesegelte Strecke: 153 Seemeilen
Strecke unter Motor: 151 Seemeilen
Benzinverbrauch: 57 Liter